
Die Tageszeitung Diario de Ibiza berichtet von der ITB, der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin. Deutschland, der Motor Europas, sei ins Stocken geraten. Die Wirtschaft komme nicht in Fahrt und das BIP verzeichne seit zwei Jahren Rückgänge. Wirtschaftsexperten warnen, dass sich traditionsreiche Industriestädte wie Stuttgart oder Wolfsburg in „deutsche Versionen von Detroit“ verwandeln könnten, sollte der Niedergang der einst vorbildlichen Automobilindustrie anhalten.
Ibiza und Formentera nehmen an der ITB teil und haben dabei die wirtschaftlichen Turbulenzen in Deutschland genau im Blick. Der politische Kurswechsel nach den Wahlen vom 23. Februar sorge für Unsicherheit: Die CDU gewann die Mehrheit, während die rechtsextreme Partei 21 % der Stimmen erhielt. Der Ökonom José Antonio Roselló, Vizepräsident der balearischen Unternehmervereinigung CAEB) bezeichnet dies als eine der heikelsten Phasen der deutschen Wirtschaft der letzten Jahre. Das Land stecke in einer zweijährigen Stagnation und einer politischen Krise, die zu den vorgezogenen Neuwahlen geführt habe.
Laut Roselló sank das BIP 2023 um 0,1 % und 2024 um 0,2 %, während für 2025 nur eine geringe Erholung von 0,7 % prognostiziert werde. Besonders besorgniserregend sei der starke Rückgang der Investitionen (-0,7 % in 2023 und -2,9 % in 2024). Auch die Exporte stagnieren (0,2 % Wachstum 2023, 0,1 % in 2024) und der private Konsum fiel 2023 um 0,2 %, mit einem leichten Anstieg von 0,4 % in 2024. „Viele sprechen von einer Rezession, aber vielleicht ist der treffendere Begriff einfach wirtschaftliche Lethargie.“
Roselló verweist auf die „goldenen Jahre“ unter Angela Merkel, als Deutschland wirtschaftlich stabil war. Ihr Fokus auf eine starke, multilaterale und friedliche Wirtschaftspolitik habe die Grundlage für langjähriges Wachstum gelegt. Ein zentraler Pfeiler sei die enge wirtschaftliche Beziehung zu Russland geween, insbesondere die günstige Gasversorgung für die Industrie.
Doch mit der Invasion der Ukraine kam ein „kopernikanischer Wandel“. Der Wegfall des russischen Erdgases zwang Deutschland zu einer tiefgreifenden Neuorganisation seiner Industrie. Hinzu kamen die Herausforderungen der grünen Transformation, die hohe Investitionen erforderte. Zudem erschwerten innenpolitische Streitigkeiten über den Haushalt den Reformprozess.
Die deutsche Wirtschaft habe an Dynamik verloren, was zu umfassenden Unternehmensumstrukturierungen führe. Besonders die Automobilindustrie leide unter diesen Veränderungen. Mangelnde Innovation schwäche Deutschlands Position als führende Industrienation. Trotzdem bleibe die Arbeitslosenquote mit 3-3,5 % relativ stabil, ebenso die Sparquote der Haushalte von rund 10,5 %. Doch die Automobilbranche plane bereits Entlassungen in großem Umfang – und steigende Arbeitslosigkeit bedeutet Einschnitte bei den Ausgaben, auch für Reisen.
Trotz der wirtschaftlichen Flaute blieb der deutsche Tourismus nach Spanien stabil. Laut Frontur reisten 2024 fast 12 Millionen Deutsche nach Spanien, ein Anstieg von 8,6 % gegenüber 2023. Der deutsche Tourismusumsatz stieg um 17 % auf 15,5 Milliarden Euro. In Mallorca, dem klassischen Ziel der deutschen Urlauber, machte sich die Krise kaum bemerkbar. Doch Ibiza sei ein anderer Fall, da deutsche Touristen hier eine geringere Rolle spielen als italienische oder niederländische.
Große Reiseveranstalter wie TUI berichten von einem Rückgang der Buchungen, sowohl aus Deutschland als auch aus Großbritannien. Wirtschaftliche Unsicherheit und steigende Preise könnten die Nachfrage in der bevorstehenden Saison dämpfen.
Zusätzlich drohen Handelskonflikte zwischen den USA und Europa, die die deutsche Exportwirtschaft hart treffen könnten. Roselló warnt: „Ein eskalierender Handelskrieg würde allen schaden. Aber besonders Deutschland als exportabhängige Nation würde darunter leiden.“
Die kommenden Monate werden zeigen, ob sich der Ibiza-Tourismus von der deutschen Wirtschaftskrise entkoppeln kann oder ob die Auswirkungen auch auf den Balearen spürbar sein werden, so die Tageszeitung.