
Seit Jahren bemühte sich die Iberia-Muttergesellschaft IAG um die komplette Übernahme des Konkurrenten Air Europa. Die ehemalige staatliche spanische Fluggesellschaft hält seit 2022 bereits 20 Prozent der Anteile der auf den Balearen beheimateten Air Europa. Seit vergangenem Jahr liefen der Tageszeitung Periódico de Ibiza y Formentera zufolge die Verhandlungen über den Kauf der verbleibenden 80 Prozent. Daraus wird nun nichts werden.
Am Donnerstagnachmittag teilte IAG, zu dem auch British Airways gehört, mit, die Verhandlungen eingestellt zu haben. Man gebe „die Entscheidung bekannt, den am 23. Februar 2023 mit Globalia (dem Mutterkonzern von Air Europa, Anm. d. Red.) zu kündigen, in dem sich IAG bereit erklärt hat, von Globalia die restlichen 80 Prozent des ausgegebenen Aktienkapitals zu erwerben“, hieß es in einer Mitteilung an die Medien.
Damit knickte IAG vor den Anforderungen der EU-Kommission in Brüssel ein. Weil die europäischen Wettbewerbshüter immer wieder Bedenken bezüglich einer sich andeutenden Vormachtstellung von IAG und Air Europa geäußert hatten, kam Iberia Brüssel zuletzt entgegen. IAG bot an, 52 Prozent der gegenwärtig von Air Europa betriebenen Verbindungen an andere Fluggesellschaften auszulagern. Dieser Schritt erfolgte, nachdem Brüssel den ersten Vorschlag, bei dem von 40 Prozent die Rede war, abgelehnt hatte.
Doch der EU-Kommission war das offenbar nicht genug, sie bemängelte in der vergangenen Woche auch Iberias Nachbesserung. Am Donnerstag zog der Konzern nun die Reißleine. Man sei zu dem Schluss gekommen, „dass es im derzeitigen regulatorischen Umfeld nicht im besten Interesse der Aktionäre wäre, die Transaktion fortzusetzen“, zitierte das Branchenblatt Aerotelegraph aus der Pressemitteilung. In anderen Worten, die EU-Auflagen empfinde man als zu harsch.
Branchenkennern zufolge wurden hinter den Kulissen bereits Namen von Fluggesellschaften gehandelt, die jene 52 Prozent der Air Europa-Slots übernehmen wollten und sollten. Interesse bekundeten demnach unter anderem Ryanair, World2Fly und Volotea. IAG-Chef Luis Gallego machte nie einen Hehl daraus, dass er darauf abziele, Madrid als Drehkreuz seiner IAG-Flotte weiter auszubauen. „Diese Strategie führt zu guten Ergebnissen. (…) Wir werden unsere Präsenz in Madrid weiter ausbauen, damit sich das Drehkreuz zu einem Konkurrenten der größten europäischen Drehkreuze entwickeln kann.“
Nach Angaben von Aerotelegraph könnte IAG nun einen Einstieg bei der portugiesischen Fluggesellschaft TAP anstreben. Dies würde dem bislang auf spanischsprechende Ziele fokussierten Unternehmen den Zugang auf den brasilianischen Markt eröffnen. Im Raum habe auch ein Deal mit den beiden Airlines Avianca und Volotea gestanden, schrieb das ibizenkische Lokalblatt. Mit der kolumbianischen Avianca hätte man das Angebot an Langstreckenflügen in Lateinamerika ausbauen können, die Low-Bugdet-Fluggesellschaft Volotea wäre für die Kurzstrecken zuständig gewesen.
Letztlich bleibt IAG auf Ausgaben in Höhe von 50 Millionen Euro sitzen. Dieser Betrag, so die spanische Zeitung, stünde Globalia nach der gescheiterten Übernahme an Abfindungszahlungen zu. Außer Spesen also nichts gewesen. Dabei war Iberia-Chef Gallego vorgewarnt: 2019 hatte sein Konzern den ersten Versuch unternommen, sich Air Europa einzuverleiben. Nach drei Jahren gab man damals die Bemühungen ergebnislos auf.