
Die Tageszeitung Diario de Ibiza zeichnete am 5. Mai 1927 ein bedrückendes Bild der Wohnsituation auf der Insel: „unbewohnbare“ Häuser ohne Komfort und Hygiene, in denen Menschen durch miserable Bedingungen ihr Leben riskierten und von skrupellosen Vermietern mit „unverhältnismäßigen“ Mieten ausgepresst wurden. Die Rede ist von den Arbeitern auf Ibiza Ende der 1920er-Jahre, für die man dringend „billige Häuser“ schaffen wollte.
Das Wohnungsproblem war auch damals, wie heute, ein akutes Thema: zu wenige Wohnungen und viel zu hohe Mieten. Obwohl es durch neue Bauten leichte Verbesserungen gab, reichte das nicht aus. Besonders die Mietpreissteigerung konnte durch das Mieterdekret von 1920 (auch Bugallal-Dekret genannt) kaum gebremst werden. Die Zeitung konstatierte damals: „Es hat lediglich die Mietpreise bei bestimmten Wohnungen reguliert.“
Kritik wurde auch an die Politik gerichtet: „Eine regulierende Intervention durch das Rathaus fehlte und wäre dringend nötig gewesen.“
Wohnungen ohne Luxus, aber „anständig“ Im Fokus standen die sogenannten „casas baratas“ (billige Häuser), gefördert durch ein staatliches Dekret. Sie sollten einfachen Familien den Erwerb eines Heims ermöglichen. Manche wollten sogar ohne staatliche Hilfe auf private Finanzierung setzen. Die Mietpreise zeigten dabei eine klare Hierarchie: für eine Erdgeschoss- oder erste Etage-Wohnung wurden sechs Peseten pro Woche veranschlagt, fünf für das zweite Stockwerk und vier für das dritte – denn Dachgeschosse galten ohne Aufzug als unattraktiv.
Diese staatlich unterstützten Wohnungen sollten „ohne Luxus, aber anständig“ sein. Sie mussten über Licht, Wasser, Luftzirkulation und Hygiene verfügen, um tödliche Krankheiten durch unhygienische Behausungen zu vermeiden. Die Baugrundstücke durften nicht in der Nähe von Sumpfgebieten oder anderen Infektionsherden liegen.
In Zeiten, in denen man für Abstellkammern Preise wie für Villen zahlt, klingt die damalige Beschreibung fast traumhaft: „Mit direktem Licht, Belüftung, Wohnzimmer, Küche, Wasseranschluss, Speisekammer, Toilette und mehreren Schlafzimmern für eine Familie.“ Selbst ein Innenhof war vorgesehen und wurde als „unverzichtbar“ beschrieben.
Ein möglicher Standort war die südliche Hänge des Hügels von Dalt Vila, „der sonnigste Ort überhaupt“, so die Zeitung. Doch wegen der schwierigen Topographie und der hohen Kosten für die Nivellierung sprach man sich letztlich dafür aus, dort lieber Freizeit-Chalets für Wohlhabende zu errichten. Diese würden vom Meer aus auch ein schöneres Bild abgeben.
Am 8. Oktober 1927 stand im Diario de Ibiza: „Diese Stadt besitzt keinen Quadratmeter Boden.“
Obwohl man nicht mehr als 4.000 Peseten Jahreseinkommen haben durfte, um Anspruch auf eine dieser Wohnungen zu erhalten, verlor man diesen Anspruch nicht, „wenn es einem nach Abzahlung einiger Raten besser ging“. Alles mit dem Ziel, die Menschen aus feuchten, anstößigen, mitunter unbewohnbaren Unterkünften zu befreien. Eine Idee, die am Valentinstag 1929 aufgegriffen wurde. Man kritisierte, dass in Wien und Berlin die Rathäuser komfortable und günstige Wohnungen bereitstellten, während in Ibiza eine ganz andere Realität herrsche: „Die einfachen Leute müssen in Kammern ohne Komfort und ohne die grundlegendsten hygienischen Bedingungen leben – und dennoch entkommen sie nicht dem ständigen Albtraum skrupelloser Vermieter und der unverhältnismäßigen Mietpreise, die ihnen auferlegt werden.“ Kommt Ihnen das bekannt vor? fragt die Tageszeitung.