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Clive Crocker, der letzte ‚Beat‘

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Clive, mit Bart, vor dem Domino in den frühen 60er Jahren / Quelle: Clive Crocker Archiv, Diario de Ibiza

Am Montag ist Clive Crocker im Alter von 91 Jahren gestorben, und mit ihm die Erinnerung an das Ibiza der 60er Jahre, die Zeit der Beatniks und Hippies, schreibt die Tageszeitung Diario de Ibiza. „Ich war kein Beatnik. Ich war der Beat“, sagte er selbst von sich. Für ihn war dies ein bedeutender Unterschied.

Geboren in Bristol, kam Clive 1959 auf die Insel. Ihn störte es, als Beatnik bezeichnet zu werden – ein Begriff, den ein amerikanischer Journalist geprägt hatte, um die Beat-Generation herabzusetzen und ihre Anhänger mit faulen, gewalttätigen Straßenbanden gleichzusetzen. Clive gehörte zu einer anderen Klasse: Er war elegant, geschäftstüchtig, ein unermüdlicher Leser und verständnisvoll gegenüber denjenigen, die seine Bars besuchten – viele davon ausländische Künstler und Intellektuelle, die auf der Insel Zuflucht fanden oder auf der Durchreise waren – und oft nicht bezahlen konnten. Um seine Weltanschauung zu verstehen, reiche dieses banale Beispiel: Aus Prinzip trank er nie eine Cola – es sei denn, sie war mit Wodka gemischt. Ohnehin bevorzugte er Bier.

Clive Crocker führte ein Leben wie aus einem Film. Zwei Jahre lang absolvierte er den Wehrdienst in Hongkong, arbeitete dort im Büro, denn Waffen, so sagte er, verursachten ihm Unbehagen. Er studierte Kunst in Chelsea (London), war eine Zeit lang für das Casting von Theater- und Filmschauspielern zuständig (er entdeckte Brigitte Bardot für den Film „Doctor at Sea“ von 1955) Er stand kurz davor, Teil des britischen Ruderer-Teams bei den Olympischen Spielen in Melbourne 1956 zu werden, aber sein Beatnik-Bart passte nicht ins Bild, das Großbritannien sich für seine Ruderer wünschte.

Auf die Insel kam er mit der Absicht, ein Buch über sein Leben zu schreiben, wie so viele zu jener Zeit, ähnlich wie Jack Kerouacs „On the Road“. Doch er setzte diese Idee nicht um. Stattdessen widmete er sich der Gastronomie und eröffnete die Bar Domino, gelegen direkt am Hafen von Ibiza, mit Blick aufs Meer. Er gründete sie gemeinsam mit dem Deutschen Dieter Loerzer und dem Kanadier Alfons Bleau, die finanzielle Schwierigkeiten hatten und einen kapitalstarken Partner brauchten. Dieter war ein ehemaliger Soldat aus dem Zweiten Weltkrieg und der Neffe von Bruno Loerzer, der rechten Hand von Hermann Göring. Clive brachte das benötigte Geld mit. Es war der erste existenzialistische Treffpunkt: „Im Domino lief immer Jazz, besonders John Coltrane. Später hassten wir die Beatles und die Rolling Stones“, erinnerte sich Clive. Im Domino gab es also jede Menge Jazz, Alkohol, Sex und unzählige Schachpartien.

In ‚Dope in the age of innocence‘ erzählt Damien Enright, wie das Domino funktionierte: „Jeder wartete immer darauf, einen Scheck einzulösen oder darauf, dass Geld von der Familie im Postamt ankam. Clive und Dieter hatten viel Geduld mit ihren Kunden und verstanden diese Verzögerungen. Sie verlangten nicht einmal Zinsen“. Die Bar Domino „war das Zentrum des Lebens der Ausländer auf Ibiza. Denn es war die einzige Bar auf Ibiza, die von Ausländern betrieben wurde“, so Enright. Nur für Eingeweihte. Dort verfügten sie über die „beste Sammlung moderner Jazzplatten in Europa, dank Dieter Loerzer“.

Viele Schriftsteller und Künstler gingen ein und aus. Zu den Stammgästen zählte Christa Päffgen, besser bekannt als Nico, die später zur Muse von Velvet Underground und Andy Warhol wurde. Clive lernte sie 1960 im Domino kennen, kurz nachdem sie als Schauspielerin in FellinisLa dolce vita“ mitgewirkt hatte. Er verliebte sich in sie: „Sie war 22 Jahre alt. Sie war wunderschön, wirklich wunderschön“. Sie lächelte kaum. Von damals besaß er Fotos in Schwarz-Weiß, aufgenommen von keinem Geringeren als Richard Avedon, wo sie in einem Trenchcoat gekleidet mit wehendem Haar posierte. Nur auf einem der Bilder lachte sie. An seinem linken Arm trug Clive die Narbe der Bissspur, die Nico ihm verpasst hatte.

1962 lernte er Elmyr de Hory kennen, den größten Kunstfälscher der Geschichte, sowie all die Trickbetrüger und Kunsthändler, die ihn umgaben. In jenem Jahr war Jamie Goodbrand Stammgast im Domino, wo er ständig zeichnete: „Eines Tages sagte er mir, ich solle mit zu ihm nach Hause kommen, wo er mit Elmyr lebte und das direkt neben meinem lag, weil er mir etwas zeigen wollte. Es waren 30 Kopien von Matisse-Gemälden auf Papier“. Clive dachte immer, dass zu jener Zeit ein großer Teil der Fälschungen, die Elmyr zugeschrieben wurden, tatsächlich von Goodbrand stammten und dass später andere Schüler des Fälschers die Arbeit fortführten.

Die drei Partner beschlossen schließlich, das Domino zu schließen: „An dem Tag tranken wir viel. Dieter gab sich dem Brandy hin, bis er nicht mehr konnte. Da entschieden wir uns dazu, das Geschäft zu beenden“. Kurz darauf, im Jahr 1963, eröffnete Clive zusammen mit Luis Cardona das Pórtico, direkt neben dem Domino, ebenfalls am Hafen. Das Pórtico „war ein sehr gutes Restaurant, in dem niemand bezahlte“. 1966 eröffnete er das Clive’s, ein Jahr nachdem er die Frau kennengelernt hatte, die ihn den Rest seines Lebens begleiten sollte: Helga Breuer, eine Deutsche, die damals gerade 17 Jahre alt war und eigentlich auf die Insel gekommen war, um ihren Freund zu treffen.

Clives Freund Erwin Broner, ein Architekt, plante im Juni 1967 die Terrasse, damit diese sich bei Regen nicht in ein Schlammbad verwandelte. Sie wurde vor einem Jahrzehnt abgebaut. Clive vermachte die Pläne dem **Arxiu Històric d’Eivissa, dem historischen Archiv Ibizas. Die Bar war auch einer der Schauplätze von ‚More‚, dem Film und Soundtrack von Pink Floyd, den Barbet Schroeder inszenierte. Das Clive’s wurde mehrmals geschlossen, wegen Drogenkonsums und weil es als Sündenpfuhl galt.

 

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