
Ein ausrangierter Kühlschrank regt in der kleinen Ortschaft Santa Agnès(Sant Antoni) seit wenigen Tagen Bewohner zum Lesen an. Richtig gelesen, zum Lesen. Denn hinter der transparenten Glastür des in die Jahre gekommenen Elektrogeräts stapeln sich nicht etwa gekühlte Bierdosen, sondern gebrauchte Bücher. Auf die Idee kam einer Meldung der Tageszeitung Periódico de Ibiza y Formentera zufolge die Leitung der örtlichen Schule, das Ganze nennt sich schlicht Biblioteca Lliure, frei Bibliothek.
Gänzlich neu ist das Konzept des Büchertausches freilich nicht, in einem Ort ohne Bücherei wie Santa Agnès kommt die Initiative nach Meinung von Schuldirektorin Teresa Marí trotzdem gut an. „Die Leute sind begeistert, denn im Dorf gab es bislang keine Möglichkeit, Bücher auszuleihen.“ Derzeit stünden rund hundert Titel in verschiedenen Sprachen im Kühlschrank, und täglich werden es mehr. Anfängliche Bedenken, das Ausleihen ohne jegliche Kontrolle würde schnell zu leeren Regalen führen, wischt Marí längst vom Tisch. „Im Gegenteil, die Leute bringen nicht mehr genutzte Bücher und füllen damit den Kühlschrank.“ Im Gegenzug nähmen sie manchmal ein neues Gebrauchtes mit, manchmal aber auch nicht.
Insbesondere die jüngere Generation soll nach dem Willen der Schulleitung so ans traditionelle Lesen herangeführt werden. Denn Bücher hätten es heutzutage schwer, gegen die sozialen Medien und Smartphone zu bestehen. „Digitales Lesen ist sehr visuell, aber entspricht einer völlig anderen kognitiven Aktivität als die Lektüre eines herkömmlichen Buches“, so Marí. Die Hoffnung habe sie aber noch längst nicht aufgegeben. Wer sich nicht lange bitten lasse, sei ihr Personal. „Unsere Lehrkräfte machen ordentlich Gebrauch von dem Service.“